Kunstprojekt – Statement

Mein Statement bezüglich der erstellen Bilder
von Sandra Hinzmann

„Was bedeutet Autismus für mich?“ im Allgemeinen, aber insbesondere jetzt zu Zeiten Coronas – Sandra Hinzmann, 34 Jahre, diagnostiziert Mai/2017!

Würde ich die Bilder erst jetzt mitten in der Corona-Zeit erstellen, hätte ich keinen Zweifel daran, dass diese ähnlich oder sogar gleich ausfallen würden. Ganz im Gegenteil, die Problematiken sind viel heftiger in ihrer Intensität, als das „normale Umstände?“ hergeben würden.
Grundsätzlich bin ich ein sehr aufgeschlossener Mensch. Ich habe mich bewusst für eine wörtliche Ausdrucksweise entschieden, um mein inneres Befinden für andere sichtbar zu machen. Ich habe mich in all den Jahren des Kämpfens der Welt angepasst, bin oft an meine Grenzen gekommen, ohne dass dieses äußerlich für andere wahrnehmbar war. Ich habe ein stark ausgeprägtes Einfühlungsvermögen, aber leider bin ich auch sehr direkt, ehrlich und neugierig. Diese Ehrlichkeit, dieses neugierige Interesse an andere Menschen führt oft zur Ausgrenzung, weil dieses nicht erwünscht ist. Menschen sehen das nicht als Stärke. Wenn jemand Einfühlungsvermögen hat, wird dieser sich ja in andere Menschen hineinversetzen können, wie also kann das sein, dass genau dieser Mensch nicht weiß, dass bestimmte Dinge so nicht ausgesprochen oder gefragt werden.

Die Folge ist und war, man ist unfreundlich, unkollegial und eine schlechte Freundin. Das führt dazu, dass Wut aufkommt in Verbindung mit Trauer. Autisten wird fälschlicherweise oft nachgesagt, sie könnten keine Emotionen empfinden. Ich bin ein sehr empfindlicher Mensch, weiß oft nicht wohin mit den ganzen Emotionen, die in meinem Kopf umhersprudeln, ich werde laut bei Überforderung. Ständig lebe ich in Angst wieder ausgegrenzt zu werden, mich für mein Verhalten erklären und entschuldigen zu müssen, mich wieder aufgrund der fehlenden Akzeptanz unwissentlich bis zur Erschöpfung in die Anpassung zu begeben, nicht ich selbst sein zu dürfen, weil dies nicht im Einklang mit der weltlichen Norm zu bringen ist. Zudem bin ich sehr strukturiert, benötige eine gewisse Ordnung, bin wenig spontan und Verabredungen plane ich gerne vorher. Spontane Planänderungen nehmen mir meine Sicherheit, nicht planen zu können, löst ein beengendes Gefühl in mir aus. Auch wenn ich sehr verbindlich bin und somit absolut verlässlich, überwiegen die „negativen“, „anstrengenden“ Charaktereigenschaften aus Sicht der anderen. Viele freundschaftliche Verbindungen sind in kurzer Zeit (nach meiner Diagnose) zerbrochen, weil ich mutig „Ich Selbst“ sein wollte/möchte.

Es gibt eine Person in meinem Leben, die mich, wenn sie mich auch oft an den Rand des Wahnsinns treibt mit ihrer unstrukturierten Art, mit offenen Armen empfängt und mir zeigt, dass ich völlig okay bin, wie ich bin. Sie gibt mir diese Normalität, die ich draußen in der Welt nicht bekomme. Meine Schwester. Meine Freizeit verbringe ich nahezu immer bei ihr. In der Jugendsprache würde man sagen, wir chillen ab. Würde ich Samen säen statt Worte erzählen, wäre ihre gesamte Wohnung bereits zugewuchert und trotzdem hat sie noch immer ein offenes Ohr für mich. Leider ist sie schwer krank. Dieser Umstand wäre ohne Corona schon schlimm genug, aber mit Corona ist das eine kaum aushaltbare Herausforderung. Ich habe sie lange nicht sehen können. Dieses bisschen an Normalität was vorhanden war, ist plötzlich weggebrochen. Corona engt ein, man muss alles noch mehr durchdenken, als man ohnehin schon macht und auch im Umgang mit meiner Schwester muss ich nun mehr aufpassen.

Jetzt habe ich kürzlich eine Umschulung angefangen. Alles war gut durchdacht, lange geplant. Ein anderer Standort mit regelmäßigen Heimfahrten und Wochenend-chillen bei meiner Schwester. Und nun, Corona. Ein Jonglieren zwischen Homeschooling und Präsenzunterricht vor Ort und in Bad Pyrmont. Ein Kompromiss aus freien Tagen und Onlinelernen, zwischen strukturierten Tagen und unplanbaren Überraschungen.

Und um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen, muss man sich mit Sätzen wie „DU MACHST DAS ABER ALLES SO GUT, DAS KANN KEIN AUTISMUS BEI DIR SEIN“, „DAS IST BEI DIR ABER BESTIMMT NUR EINE GANZ MILDE FORM VON AUTISMUS“, „DAS HAT NICHTS MIT DEINEM AUTISMUS ZU TUN, ANDEREN GEHT ES GENAUSO“ und ähnlichen umherschlagen. Und alles, was man sich jetzt bloß wünschen würde, ist die unnormale Normalität zurückzubekommen! Natur ist das, was mir oft hilft. Musik auf die Ohren, rausgehen, versuchen zu vergessen und mir die Welt in Gedanken bunt ausmalen.